Siegfried Utzig

Fotografien schildern Wirklichkeiten, die bereits existieren, wenn gleich nur die Kamera sie enthüllen kann. (Susan Sontag)

Warum?
Die Frage nach dem Warum kann ich nicht wirklich beantworten. Im Grunde reicht eine Antwort weit zurück in die Kindheit. Mein Vater war fotobegeistert und von ihm übertrug sich die Faszination der Photographie auf mich. Photographie war für mich schon immer da, ich musste mich nicht bewusst dazu entscheiden.
In der frühen Phase meiner Begeisterung für die Photographie stand sicherlich das Bemühen im Vordergrund, die Technik – sowohl der Aufnahme als auch der Bildvergrößerung – auf einem professionellen Niveau zu beherrschen. Gemeint ist damit die Schwarz-Weiß-Photographie, die bis in die neunziger Jahre ohne Zweifel das Medium für Alle war, für die in der Photographie die Reduktion auf Strukturen, Licht und Schatten und generell die Abstraktion von Bedeutung waren.
In diese Phase fällt der Aufbau eines eigenen Fotolabors und die intensive Arbeit an der Beherrschung des Schwarz-Weiß-Prozesses. Den Laborprozess zu beherrschen, war echte Arbeit. Der rege Austausch mit Gleichgesinnten sowie die Lektüre der Bücher von Ansel Adams führten zum Ziel.
Mit den Fortschritten meines technischen Könnens wuchs das Interesse an inhaltlichen und formalen Konzepten der Photographie. Es wurde mir wichtiger, stärker auf die Bilder hinter dem Bild zu achten. Meine Photographien wandelten sich vom Abbild der Wirklichkeit hin zu einem Vorschlag wie die Welt zu sehen ist. Photographie wurde so für mich ein Mittel meiner Kreativität Ausdruck zu verleihen.

Was?
Oberflächlich betrachtet, könnte mein Bildspektrum als Architektur-, Landschafts- und Stillleben Photographie charakterisiert werden. Aber eine solche Einordnung griffe zu kurz. Ich selbst bewerte meine Bilder eher in abstrakter Form, als eine einmalige Kombination aus Strukturen, Linien und Flächen, die den Raum aufteilen mit den Mitteln von Licht und Schatten. Es geht mir darum, mit den Möglichkeiten der Photographie Verborgenes zu zeigen und den Betrachter zum Innehalten und zum Nachdenken anzuregen.
Der Weg zu diesem Verständnis meiner Photographie zugebenermaßen weit. Landschaftsaufnahmen in der Ästhetik eines Ansel Adams waren in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre die Benchmark für meine Photographie. Die Abkehr davon fand in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre zunächst schleichend dann jedoch nachhaltig statt.
Drei Dinge rückten in den Vordergrund. Erstens die Erkenntnis, um gute Bilder zu machen, muss man das Motiv sehr gut kennen. Zweitens, jede photographische Arbeit muss über einen abgeschlossenen formalen Rahmen verfügen. Und drittens und vielleicht am wichtigsten, Photographie begann mich vor allem als Kunstform zu interessieren.
Die Folgen waren eine intensive Vorbereitung der jeweiligen photographischen Projekte, damit verbunden, eine stärkere Konzentration auf Themen „vor der Haustür“ sowie auf Themen, die eine vielschichtige Interpretation zuließen. Und schließlich erfolgte eine konsequente Umsetzung der Projekte in präsentable Portfolien.

Wie?
Von Eliott Erwitt stammt das Bonmot, die beste Kamera sei gerade die, die man dabei habe. Nun, ich habe entweder meine Linhof Technikardan dabei, wenn ich mit Rollfilm fotografiere oder aber, und dies geschieht zugegebenermaßen immer häufiger, eine Digitalkamera. Das entscheidenden ist für mich aber nicht die technische Seite der Aufnahme, sondern die Art und Weise, wie das Bild zu Papier gebracht wird.
Photographien sind für mich nach wie vor schwarz-weiß, allenfalls variierend im Farbton zwischen braun und schwarz. Im Laufe der Jahre habe ich allerdings durch die Entdeckung der photographischen Verfahren des 19. Jahrhunderts eine größere Bandbreite der Bildpräsentation gefunden. Die Anwendung der Verfahren zum Bromöldruck, Gummidruck, Cyanotypie und Kallitypie erforderten sehr viel Recherchearbeit und ausdauerndes experimentieren, um die historischen Prozesse mit modernen Mitteln auf ein professionelles Niveau zu kalibrieren. Die Mühe lohnte jedoch. Das Ergebnis sind Photographien mit einer eigenen Aura, wie sie Bilder aus dem Inkjetdrucker nie erreichen werden.
Da die meisten Prozesse nur für UV-Licht empfänglich sind werden Kontaktnegative in der Größe des gewünschten Bildes benötigt. Die Kontaktnegative lassen sich heute sehr einfach am Computer erzeugen. Die digitale Photographie hat damit – sicherlich unbeabsichtigt – den historischen Verfahren zu einem neuen Leben verholfen.